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Menschen an der siegreichen Front priesen. Mutter wurde immer nervöser und ängstlicher. Die sonst so kühle Frau war ständig in „Hab-Acht -Stellung“ und rastete gelegentlich aus Anlässen, die uns Kindern
oft nicht erklärbar waren, vollständig aus.  Ganz schlimm war es, als sie glaubte, dass ich die Lebensmittelkarten verloren hätte. Nach
dem sie mir eine gehörige Tracht Prügel verpasst hatte-die einzige Prügel, die ich je von ihr bezogen habe-rastete sie kurz darauf ein zweites Mal aus, als sie die Lebensmittelkarten in ihrer Kittelschürze entdeckte. Die Karten waren so etwas wie ein Passierschein zum Überleben. Sie waren oft das einzig erfreuliche in den Anzeigen in den Tageszeitungen. Man las sie auf jeden Fall zuerst, bevor man die danebenstehenden Anzeigen über der Heldentot eines Nachbarn registrierte.
Am 6
. Juni 1944 landeten die Amerikaner in der Normandie, dort, wo wir auch unseren Vater vermuteten. Papa hatte bis dahin zuversichtliche FeldpostbIn richtige Kampfhandlungen war er bis dahin anscheinend nicht verwickelt worden. Kurz nach der Landung der Amerikaner kam ein
Telegramm von Opa aus Bernkastel. In sehr kurzen Worten forderte er uns
auf, Metz sofort zu verlassen und alles stehen und liegen zu lassen.  Wir verabschiedeten uns von Familie Gangler und von Familie Bertichamp, die
uns versicherte, dass sie auf unsere Sachen gut aufpassen würde und
dass wir alles zurückerhalten würden, egal wie der Krieg ausginge.
Hals über Kopf sind wir in aller Frühe in einen Zug gestiegen und erreichten Bernkastel noch am selben Tag
.
Am Tag nach unserer Ankunft bemerkte Mama, dass sie all unsere Papiere
in Metz vergessen hatte: die Geburtsurkunden, die Heiratsurkunde, das Parteibuch von Papa und, was ganz besonders schlimm war, die Lebensmittelkarten.


  Sie fuhr umgehend wieder nach Metz, packte alles zusammen und verließ
zum zweiten Mal unsere Wohnung, die sie bei genauerer Betrachtung aber etwas anders und ordentlicher in Erinnerung hatte.
Natürlich klingelte sie höflich noch schnell bei unseren Vermietern, um ihnen
zu sagen, dass sie oben in der Wohnung gewesen waren, um einige
Unterlagen abzuholen. Das Entsetzen von Herrn und Frau Bertichamp war panisch. Als meine Mutter ihre teure Kristallschüssel und die Bonbonniere entdeckte, die auf dem Wohnzimmertisch standen. Der Wohnzimmertisch
stand auf unserem Teppich. Maria wurde sofort klar, warum die Leute so panisch regierten.
 Von der anderen Straßenseite, aus dem Kasino der Gestapo, hörte man den Gesang der deutschen Sieger, die gerne und
schnell mit Plünderern deutschen Eigentums kurzen Prozess machten.

In der tödlichen Stimmung, sagte meine Mutter dann nach einer Weile die erlösenden Worte: „Behalten Sie alles als Geschenk“.  Dann verließ sie das Haus Bertichamp und fuhr wieder nach Bernkastel.


Aus einem Brief der Familie Gangler erfuhren wir kurz darauf, dass eine der ersten Bomben, die die Alliierten auf Metz geworfen haben, das Haus dem Erdboden gleich gemacht habe

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