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Dabei übersah er, dass das Fräulein gelegentlich mit einem Herrn zu Bette ging, der leider Papas Chef war.Dieser schlug sofort und kräftig zu. Da er aber wegen seines liebevollen Umganges mit dem ihm anver-
trauten weiblichen Personal die Urteile seiner eigenen Vorgesetzten fürchtete und zudem selbst mit einer Beißzange von Frau verheiratet war,
legte er keinen großen Wert darauf, dass alles an die große Glocke gehängt wurde. Er wollte aber Papa um fast jeden Preis loswerden, weil er damit einen nicht sehr sicheren Parteigenossen loswurde und zudem einen denkbaren Konkurrenten um die Gunst seines Fräuleins in die Wüste schicken konnte. Deshalb bot er meinem Vater an, die wehr-zersetzenden Reden meines Vaters nicht an die Partei weiterzugeben und ihm seine UK-Stellung nicht zu streichen, wenn er freiwillig und sofort eine offene Stelle in Metz annehmen würde. Die Stelle als 2. Leiter der Ortskrankenkasse sei praktisch eine Beförderung, brauche mit der
UK-Stellung auch nicht an die Front und erlte zudem noch eine feudale Dienstwohnung.Papa braucht nur wenige Sekunden, um diesem großzügigen Angebot zuzustimmen, er brauchte aber viele Stunden, um zuhause seinem Oberfeldwebel die Lage zu erklären. Jäb und seine
Frau waren entsetzt, als sie von der Beförderung meines Vaters hörten.
Nach kurzem und intensivem Nachdenken, übernahm Mama nun auch die Außenpolitik unserer Familie. Sie tat dies mit eiserner Konsequenz, aber ohne weitere Vorwürfe an Papa und das war sehr erstaunlich. Sie muss diesen freundlichen, gebildeten und frohen Menschen geliebt haben, obwohl sie uns und ihm dies nie richtig gezeigt hat. Da die Stelle in Metz erst in drei Monaten wiederbesetzt werden konnte, durfte Papa zur Führungsertüchtigung in der Zwischenzeit noch einige Führungs-vertretungen in Merzig und in Diedenhofen durchlaufen.Mama saß auf heißen Kohlen, weil sie befürchtete, dass Papa dort
  wieder einmal lauthals seine Einschätzungen der politischen Lage erzählen würde und, wenn er jedes Wochenende zu uns kam, wurde
er mit klaren Verhaltensregeln ausgestattet. Es wurde leider aber auch immer deutlicher, dass Papa und Jäb mit ihren Einschätzungen der
Lage an den vielen Fronten Recht behielten. Die großen Schlachten im Osten gingen jämmerlich verloren und die Bombardierung der Städte
im Reich nahmen täglich zu. Nur an der Westfront herrschte noch Ruhe, aber der Feindsender BBC kündigte an, dass die Ruhe am Atlantikwall bald zu Ende sein werde. Unter diesen Umständen betrachtete Papa seine „Beförderung“ nach Metz etwas kritischer als seine Frau.
Meine Mutter war ganz aufgeregt über die Ankündigung, dass die Wohnung in Metz sehr groß, vollständig möbliert und sehr gut ausgestattet sein
sollte. Sie entschied also, welche Wertgegenstände, wie Kristallvasen, Bonbonnieren, Tischtücher und alle Paradekissen mit nach Metz reisen sollten und welche minderwichtigen „Dinge“, der große Bücherschrank mit 20 Bänden des „Großen Brockhaus, die Ehebetten und die
Teppiche, in Ottweiler
eingelagert werden sollten.
Das Ölgemälde, welches ein befreundeter Kinderarzt von Papa gemalt hatte, musste auch eingelagert werden, weil Papa versäumt hatte, bei den Sitzungen im Atelier des Malers sein Parteiabzeichen von seinem Kragen zu entfernen. Auf diese Weise war Papas verhasstes Parteiabzeichen auf das schöne Ölbild geraten.
Papa lächelte verlegen und trug ab sofort sein NSDAP-Abzeichen unsichtbar unter dem Kragenumschlag. Diesen Umstand soll sich der geneigte Leser bitte merken, weil er in Metz zu neuen Komplikationen führte und weil die Siegermächte, die später unsere eingelagerten Möbel besichtigten,
das Bild einer ganz besonderen Behandlung unterzogen.
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