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Gelegentlich rauschte, mehr oder weniger versehentlich, eine Bombe in der Nähe der Brücke ins Moselwasser.Dann klirrten die Fenster und dicke Wassersäulen schossen in die Höhe und dann war der Spuk vorüber und es ertönte der lange Sirenenton, der Entwarnung signalisierte. Das Radio verkündete weitere deutsche Heldentaten unsere siegreichen Soldaten und spielte schöne Operettenmelodien.
Die feindlichen Truppen marschierten in Frankreich schnell vorwärts und näherten sich der französischen Stadt Caen, wo wir unseren Vater vermuteten.

Und dann, ganz unerwartet
, stand unser Vater vor uns.
Er hatte plötzlich eine Woche Heimaturlaub bekommen, aber sein Feldpostbrief war noch nicht bei Mama angekommen. Ziemlich unrasiert, mit leicht verdreckter Uniform und todmüde von der langen Bahnfahrt stand der einfache Frontsoldat August Masson vor seinem privaten Oberfeldwebel. Mama verbarg ihre große Freude hinter einer Fassade von kurzen Kommandos. Und so musste ihr lieber Mann zuerst die Stiefel aus-ziehen, die Hände waschen und den scheußlichen kleinen Hitler-Bart abrasieren, bevor er seine Maria umarmen durfte.
Als er ihr dabei etwas zu nahekam, zischte sie ihm, ohne den
warmen a-Vokal zu benutzen, zu:
“ Lass das !!! “
Jetzt spätestens wusste mein Vater, dass er heil zuhause angekommen war. Er strahlte eine innige Freude aus und konnte gar nicht genug mit uns Kinder spielen. Papa war da, Mama war
glücklich, Opa spendierte feinste Fressereien und viele Flaschen besten Moselweines und viele liebe Tanten tauchten auf, um meinen Vater zu begrüßen.
  Leider meldete das Radio schon am zweiten Tag des Urlaubs, dass die feindlichen Streitkräfte schon kurz vor Caen stünden, wo sie aber von unseren heldenhaften Truppen unter Feuer genommen
würden. Papa rechnete jetzt stündlich mit dem Befehl, sich sofort zu seiner Truppeneinheit zu begeben. Da trat-völlig unvorhergesehen-die Vorsehung in Form unseres Hausarztes Dr.  Schmittgen auf den Plan.
Er war gekommen, um Papa in der Heimat zu begrüßen und als er
auch mir die Hand geben wollte, sagte er zu Mama:
“Das Kind hat Fieber“.
Eine kurze Untersuchung vor allen Tanten und Gästen im Innenhof der Doctor-Weinstube ergab, dass ich wahrscheinlich Scharlach hatte.
Das Entsetzen meiner Mama wich einer großen Freude, als
Dr. Schmittgen allen Gästen mitteilte, dass sie sofort nachhause gehen sollten, dass der Kleine sofort ins Krankenhaus nach Kues müsste und dass er sofort  die militärischen Stellen verständigen werde, weil Papa
6 Wochen lang nicht an die Front dürfe, wo er sonst die siegreichen deutschen Truppen infizieren könnte und somit möglicherweise den deutschen Endsieg in Gefahr brächte.
So geschah es dann auch. Papa hatte nun 6 Wochen Urlaub und ich landete in der Isolierstation des Kueser Krankenhauses, wo ich noch drei gleichaltrige Kinder mit derselben Krankheit antraf. Nach 6 Wochen fürchterlicher Langeweile durfte ich die Isolierstation wieder verlassen und kam gerade rechtzeitig, um Papa zur Bahn zu bringen. Vater August, zuversichtlich, dass es nicht mehr lange dauern könne, bis er wieder bei seiner Familie wäre, fuhr zu seiner Truppe in der Nähe von Caen.
Danach hörten wir nichts mehr von unserem Papa
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