18
Bei seinem ersten richtigen Fronteinsatz als Meldegänger geriet er zusammen mit zwei ganz jungen Grenadieren auf die falsche Seite der Front und wurde voneinem Trupp Engländer ohne Widerstand gefangengenommen. Die Engländer übergaben Papa Masson an die Franzosen, die ihn in das riesige Gefangenenlager in Damigny brachten, wo er zunächst ähnliche Gräben wieder zuschütten durfte, wie er sie zuvor ausgehoben hatte. Da wir in Bernkastel keine Post mehr von ihm bekamen, galt August als vermisst. Seine Frau weigerte sich aber, Trauer zu zeigen, weil sie fest daran glaubte, dass er unbeschadet überlebt habe
Es war inzwischen August geworden und die Doctor-Weinstube wurde von einer Militäreinheit beschlagnahmt. Es erschienen hohe Offiziere mit viel Silber- und Goldlametta auf den Schultern und viele Orden auf der Brust, von Ordonanzoffizieren und eigenen Fahrern begleitet. Die Offiziere tagten mal vormittags, mal abends, mal nachts. Da sie die Weinstube auch als Kasino nutzten, waren die Popps und alle, die inzwischen im Haus Unterschlupf gefunden hatten, vor dem Zugriff anderer Organe wie Gestapo oder NSDAP sicher. Außerdem hatten die Herren Offiziere sehr gute Verpflegungsreserven angelegt, von denen wir als Hausherren gern und reichlich profitierten. Die Herren Offiziere benahmen sich anständig. Sie bezahlten den Wein, den sie tranken und sagten meist „Guten Tag“ anstelle von „Heil Hitler“,
wobei sie nur
ein oder zwei Finger an ihre Mützen legten. Opa war sehr darüber erfreut, dass sie auch untereinander nicht die Hacken zusammenschlugen.
  Dieser militärische Gruß, den nur mindere Soldatenränge zelebrierten, machte auf dem Marmorboden im Eingang der Weinstube einen Heidenradau. Marlene und Franz August wurden von den Offizieren verwöhnt und gerne gestreichelt, besonders wenn ein Heeresberichterstatter in der Nähe war. Der Generalleutnant lachte sogar herzlich, als das Germanenkind mit seinen blonden Haaren und seinem kerzengeraden Scheitel ihn fragte, ob er ein Pastor wäre, weil er ein Ritterkreuz am Hals trüge.
Der Spuk mit dem Generalkasino ging ebenso geheimnisvoll zu Ende, wie er begonnen hatte. Es hieß ganz plötzlich, dass die Einheit in die Eifelardennen verlegt worden wäre. Der Aufbruch erfolgte unvorhergesehen und die Herren Offiziere vergaßen einen guten Teil
ihrer Lebensmittelvorräte. Opa Popp besaß neben der
Doctor-Weinstube noch einen Weinversand und sein Hofgut, welches
uns zu Teilselbstversorgern beförderte und uns deshalb den Zugang zu allen kärglichen Lebensmitteln, die der Führer zur Ernährung seiner Volksgenossen vorgesehen hatte, versperrte. Die vergessenen Vorräte der Offiziere waren daher für die Popps und deren Nachbarn, sowie für einige hungernde Freunde und Bekannte eine echte Bereicherung zusätzlich zu den wenigen Gramm Brot, welche uns auf der Grundlage der Reichslebensmittelkarten zustanden.
Im November fielen dann die ersten Bomben und ich schrieb an meine Patentante:

„Hier ist viel Arlarm und wir gehen in den Felsenkeller vor 3 Tagen warfen sie
einen Bomben Tebich aber es gab kein Lufttruk. Es Grüßt dich Dein Franz August.“

Info
Gehen  Sie  mit dem Cursor über die schwarzen Punkte.
Mit den grünen
Pfeilen können
Sie vorwärts oder
rückwärts
blättern
oben rechts sehen
Sie die
rote Seitenzahl
 
 


Diese Info
können Sie mit den
grünen Buttons
aus- oder einschalten