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Nach dem Essen faltete Vater Thowe ein Stück Butterbrotpapier behutsam auf, entnahm ihm eine Rolle Kautabak, schnitt mit seinem Klappmesser ein Stück davon ab und schob den Tabak genussvoll in
den Mund. Mit dem Fuß schob er den Spucknapf, der blitzeblank gesäubert war, neben sich und spuckte über eine beachtliche Entfernung hinweg zielsicher eine Ladung brauner Spucke hinein. Dann stand er langsam auf und verschwand langsam hinter einem Schrank, wo die Betten der beiden Alten standen. Dort schlief er jetzt fest, bis er mit dicken Brotstullen und einem Henkelmann voller Kartoffelsalat zur neuen Schicht in sein Bergwerk aufbrach.
Wenn wir uns dann auf den Heimweg machten, schob Hilde den Kinderwagen mit Lieschen und hielt mich an der Hand. Dabei sang sie wunderschöne Lieder vom Lily Marleen, von den vielen Sternlein am Himmel und vom armen Kameraden, den eine Kugel hinweggerissen hatte und dem ich die Hand nicht mehr reichen konnte, weil ich gerade einen Feind erschießen wollte. Der Heimweg von Thomes zu unserer Wohnung in der Schlossstraße war, Gott sei Dank, weit genug, um den Geruch von Ziegen und Kaninchen aus unserer Kleidung zu vertreiben. Üble Gerüche, Tierhaare und kleine Flecken auf dem Hemdchen oder dem Kleidchen der Kinder waren für unsere Mama unanständig und zogen ellenlange Predigten nach sich. Wenn dann unser Vater nach der Arbeit in der Ortskrankenkasse nach Hause kam, konnten wir die ausführliche Predigt der „Kaltmamsell“ noch einmal mit einer verbesserten Dramatik hören.
In unserer Wohnung gab es kein Bild vom Führer. Dafür gab es kleine und große Kreuze in unseren Zimmern von denen das liebe
  „Jesuskind“ ziemlich kläglich auf seine Welt herabsah.Hinter seiner Wade steckte ein Buchsbaum-Zweiglein mit dem wir jeden Abend mit geweihtem Wasser gesegnet wurden, wenn Papa seine selbst-erfundenen Kindergeschichten beendet hatte.Leider waren wir auch zu vornehm, um uns einen Spucknapf in die Küche zu stellen, mit dem man allerhand nette Spiele hätte spielen können.Wir besaßen allerdings sehr wohlklingende Emaille-Töpfe unter unseren Betten, die von Mama immer erst begutachtet wurden, bevor ihr Inhalt von Hilde in die Toilette gekippt wurde.
Auch die
aufregenden Sondermeldungen und Ansprachen, die die
Volksempfänger bei anderen Leuten hervorbrachten, wurden bei uns nicht gehört, obwohl wir einen neuen Volksempfänger hatten. Sobald
die tolle Musik von Franz Liszt erklang, drehte mein Vater dem Radio
den Strom ab. Das änderte sich erst, als meine Eltern den Jakob Held kennenlernten, der einen Tabakladen in der Nähe hatte und von seinen Freunden „Jäb“ gerufen wurde. Meine Eltern stellten mit Freuden fest, dass die Familie Held aus der Heimat meiner Mutter kam und sehr ähnlich über unseren Führer dachte. Ein Besuch im Jäbs Tabakladen
war für mich wie ein Märchenausflug in das Reich der Düfte. Da ich im Laden oft neben Tante Lisbeth, der Frau von Jäb, stehen durfte, lernte
ich in kurzer Zeit, den Duft von Pfeifentabak, von Zigaretten, Zigarillos
und Zigarren zu unterscheiden und den Geruch des Tabakrauches den billigen oder teuren Sorten zuzuordnen. Dazu kamen die vielen bunten Schachteln mit den verschiedenen Zigaretten und den bunten Namen
wie „Blaue Pilot“ oder „Eckstein mit Goldmundstück“. Dann gab es
noch die verschiedenen Dosen und Schächtelchen für die Schnupf-tabake und die
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